Nachhaltigkeit im Labor – 7 Fragen und 7 Antworten zum Thema

  31.01.2018Kategorie Nachhaltigkeit, Wissenschaft

Der verantwortungsbewusste Umgang mit unseren endlichen Ressourcen prägt nicht erst seit gestern unser Privatleben. Mülltrennung und Müllvermeidung sowie Energieeinsparung sind hier wichtige Aspekte, die auch in der Arbeitswelt von immenser Bedeutung sind. In diesem Zusammenhang wird oft die Rio-Erklärung von 1992 genannt. Im Grundsatz 1 heißt es: „Die Menschen stehen im Mittelpunkt der Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung. Sie haben das Recht auf ein gesundes und produktives Leben im Einklang mit der Natur.“

Um das Thema Nachhaltigkeit im Labor konkreter zu fassen, haben wir uns hierzu mit einer Expertin zum Thema zusammengesetzt. Dr. Kerstin Hermuth-Kleinschmidt verrät uns im Interview, warum Sie auf nachhaltiges Arbeiten im Labor setzen sollten und mit welchen kleinen Tricks Sie Ressourcen und Kosten gleichermaßen einsparen.

Ein Baum und eine Weltkugel mit Schmetterling werden auf zwei Händen getragen, Quelle: Chinnapong / fotolia.com

OMNILAB: Im privaten Bereich trennen wir unseren Müll und leisten so einen großen Beitrag zum Umweltschutz. Warum soll man das auch noch am Arbeitsplatz tun und insbesondere im Labor?

Dr. Kerstin Hermuth-Kleinschmidt: Gerade im Labor fallen die unterschiedlichsten Abfälle an. Die Trennung und fachgerechte Entsorgung von Sonderabfällen ist selbstverständlich und durch die Gefahrstoffverordnung vorgegeben. Aber es entstehen auch viele andere Abfälle durch Verpackungen, alle Arten von Verbrauchsmaterialien (z. B. Eppis, etc.), die durch eine sortenreine Trennung der Wiederverwertung zugeführt werden können.

Aber am allerbesten ist natürlich die Abfallvermeidung – vor allem, wenn man bedenkt, dass allein 5,5 Millionen Tonnen an Plastikabfällen pro Jahr in Laboren entstehen. Das macht immerhin 1,8 % des globalen Plastikverbrauchs aus!

Von daher lohnt es sich, neben der Abfalltrennung vor allem auf Vermeidung zu setzen, z. B. durch ein gut organisiertes Einkaufsmanagement, um nur so viel zu bestellen, wie tatsächlich benötigt wird, oder Mehrwegsysteme für den Versand zu nutzen sowie dort, wo es möglich ist, Produkte aus Plastik durch Glaswaren zu ersetzen.

OMNILAB: Was bringt Nachhaltigkeit im Labor den Mitarbeitern, dem Inhaber, der Gesellschaft und der Umwelt?

Hermuth-Kleinschmidt: Nachhaltiges Arbeiten heißt für den Mitarbeiter nicht nur auf ökologische Aspekte zu achten, sondern daneben auf ökonomische und soziale. Im Laborumfeld ist mit letzterem ganz eng die Arbeitssicherheit verknüpft, die immer mit im Vordergrund stehen muss. Durch nachhaltiges Arbeiten kann die Sicherheit des Einzelnen erhöht werden – wenn beispielsweise Mikrotechniken genutzt oder konsequent nach nicht-toxischen Alternativen gesucht wird. Wie Sie bereits erwähnten, ist das Thema Nachhaltigkeit in der Gesellschaft und im Privaten angekommen. Wer sich privat für einen nachhaltigeren Lebensstil einsetzt, will dies sicherlich auch im Beruf tun.

Für den Inhaber bedeutet es konsequent nach ressourceneffizienteren Alternativen zu suchen und diese umzusetzen, auch wenn ökonomische Einsparungen vielleicht nicht sofort erzielt werden. Hingegen amortisieren sich die Kosten größerer Investitionen auf langer Sicht. Es zeigt zudem, dass ein Inhaber, der sich seiner Verantwortung nach innen wie nach außen bewusst ist, versucht, seinen Teil zum nachhaltigen Wirtschaften beizutragen. Einer solchen gelebten „Unternehmensverantwortung“ wird in Zukunft von potentiellen Mitarbeitern, der Politik und Stakeholdern immer mehr Beachtung geschenkt werden.

Die Bedeutung von Nachhaltigkeit in Laboren für die Gesellschaft und Umwelt verdeutlichen diese Zahlen. Ein Laborgebäude verbraucht drei- bis viermal so viel Energie wie ein normales Bürogebäude. Ein einziger Abzug benötigt circa so viel Energie wie ein Einfamilienhaus. Eine aktuelle Studie aus Kalifornien schätzt wiederum, dass allein die Laborgeräte und -ausstattung – ohne Abzüge zu berücksichtigen – in kalifornischen Forschungslaboren 800 GWh / Jahr verbrauchen. Das entspricht dem Verbrauch von 230000 Haushalten, also einer mittleren Großstadt wie Freiburg.

Diese Zahlen belegen, wie durch Ressourcen- und Energieeffizienz beim Bau und vor allem im Betrieb von Laboren ein großer Beitrag zum Umweltschutz geleistet werden kann – und damit letztendlich für die Gesellschaft.

Sustainable world concept. 3D computer generated image.

OMNILAB: Welche Mehrkosten entstehen evtl. durch Nachhaltigkeit im Labor?

Hermuth-Kleinschmidt: Die Anschaffung neuer, energieeffizienter Geräte ist zunächst teurer. Aber über den gesamten Lebenszyklus betrachtet, amortisieren sich diese Kosten durch die erzielte Energieeinsparung. Im Vergleich verbraucht ein alter Tiefkühlschrank bis zu 30 kWh / Tag, während neue energieeffiziente Geräte nur 8 kWh / Tag benötigen. Auf das Jahr hochgerechnet spart man ca. 8000 kWh und somit ca. 2300 €.  Ausgehend von 29 ct / kWh. Hier lohnt sich ein Neukauf schon nach wenigen Jahren.

Auch die Einführung eines gut organisierten Probenmanagements kostet zwar Zeit. Aber dadurch finde ich die Probe schneller, ein ULT (Ultra Low-Temperature)-Freezer bleibt nicht so lange offen. Dies wirkt sich auf Energieverbrauch und Lebenszeit der Geräte aus: für jede „offene“ Minute muss ein ULT-Freezer im Schnitt zehn Minuten herunterkühlen, um wieder die Ausgangstemperatur zu erreichen.

Ebenso bewährt sich die Einführung eines Chemikalienmanagements. Bei einem an der Universität Edinburgh getesteten System wurden alle eingehenden Chemikalien inventarisiert und mit einem Barcode versehen. Für Entnahmen und Bestellungen waren so die Mengen und Standorte bekannt. Doppeltbeschaffungen wurden vermieden. Zwar sind Mehrkosten durch die Anschaffung der Software, das Einpflegen sowie für regelmäßige Updates entstanden. Im Endeffekt konnte die Universität aber im ersten Jahr bereits 100000 Pfund an Einkaufskosten und 12000 Pfund an Entsorgungskosten sparen.

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    OMNILAB: Wie effektiv sind die „kleinen Schritte“ zu mehr Nachhaltigkeit im Labor, z. B. elektrische Geräte nur bei Gebrauch einzuschalten etc.?

    Hermuth-Kleinschmidt: Natürlich ist es sehr effektiv, einen „Energiefresser“ im Labor durch ein energieeffizientes Gerät zu ersetzen. Aber auch viele kleine Schritte sind wichtig und können durchaus etwas bringen. Ein Labor in den USA hat die kleinen Schritte einmal getestet: allein durch „Erinnerungssticker an Geräten“, Kommunikation und Einbindung der Labormitarbeiter sowie einem letzten abendlichen Check durch den Laborleiter konnten in einem Pilotprojekt 50 % an Energie eingespart werden.

    Die Lagerung von Proben bei – 70 statt bei – 80 °C wird bereits an verschiedenen Universitäten durchgeführt – und kann bis zu 30 % an Energie sparen.

    Die Abzüge sind einer der „Energiefresser“ im Labor, vor allem wenn der Abzug offengelassen wird, während niemand daran arbeitet. Zwischen 5 und 25 % an Energie konnte die Universität Nottingham in ihren Laboren einsparen durch eine „Shut-The-Sash“-Kampagne.

    In der Probenvorbereitung können Mikrotechniken, wie Solid Phase Microextraction (SPME) oder Liquid Phase Micro Extraction (LPME), Zeit und Geld sparen, die teilweise sehr einfach in der Handhabung sind. Da sie im µl- statt im ml-Bereich arbeiten, empfehlen sie sich für eine hohe Probenzahl.

    Schließlich ist der „psychologische“ Effekt nicht zu vergessen: fängt man einmal an, sein Handeln zu hinterfragen und auf die kleinen Dinge zu achten, wird man sich bei der Anschaffung größerer Geräte oder bei der Einführung neuer Methoden auch in dieser Hinsicht mehr Gedanken machen.

    Einer Glühbirne geht ein grünes Licht auf, Quelle: Dehweh / fotolia.com

    OMNILAB: Wie kann man sich und andere animieren, sein Arbeiten und Handeln zu überdenken sowie ggf. zu ändern? Gibt es Tricks, Nachhaltigkeit im Labor selbst voranzutreiben?

    Hermuth-Kleinschmidt: Ich denke, zunächst einmal ist es wichtig, selber Vorbild zu sein, sich auf die Suche nach Lösungen zu machen und zu versuchen, diese umzusetzen.

    Dann ist es wichtig aufzuzeigen, welche Effekte die Maßnahme erzielt haben. Auch wenn es vermeintlich kleine sind. Wie viel Energie oder wie viele Lösungsmittel konnten eingespart werden? Gerade eine solche Bestandsaufnahme und Visualisierung hilft dabei, zu sehen, was die einzelnen Maßnahmen bringen. Und diese Erfolge sollte man zeigen und feiern!

    Zu guter Letzt ist es wichtig, sich Mitstreiter zu suchen, sich untereinander zu vernetzen und auszutauschen. Das motiviert und der Austausch von „Best practice“ bringt jeden weiter.

    OMNILAB: Was empfehlen Sie Laborleitern, um Nachhaltigkeit im Labor umzusetzen?

    Hermuth-Kleinschmidt: Ich denke, Grundlage ist zunächst einmal eine gute Kommunikation, die Einbindung aller Mitarbeiter und auch das Eingehen auf Einwände und Bedenken. Es können nicht alle Methoden geändert werden, auch wenn es z. B. um Vergleichbarkeit von Ergebnissen geht. Aber mit einfachen Dingen kann man anfangen.

    Außerdem braucht es einen Verantwortlichen, der sich darum kümmert, dass die einzelnen Ideen und Projekte umgesetzt werden. Planen Sie dafür genug Zeit ein – gerade die Suche nach Alternativen für Produkte oder Methoden ist aufwändig. Sie kann sich aber im Endeffekt lohnen.

    Ferner kommt zum Tragen, was ich bereits zur Animation gesagt habe: Vorbild sein, zeigen, was erreicht wurde und den Erfolg anerkennen.

    OMNILAB: Was möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern noch gerne sagen und mit auf den Weg geben?

    Hermuth-Kleinschmidt: Ich denke, das Wichtigste ist, anzufangen und sich auf den Weg zu machen – und sich dabei immer wieder bewusst zu machen, dass jeder, auch der kleinste Beitrag, auf diesem Weg zählt.

    OMNILAB: Vielen Dank für das Interview.

    Dr. Kerstin Hermuth-Kleinschmidt
    © Hermuth-Kleinschmidt

    Ehemals Account Managerin und technischer Support bei GE Healthcare Life Sciences und Merck Millipore.

    Seit 2015 selbstständige Beraterin für die Umsetzung nachhaltiger Prozesse in Forschung und Labor.

    Referentin und Verfasserin von Publikationen zu verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit.

    Weiterführende Links

    Rio-Erklärung

    Energieeffizienz im Labor

    ULT Freezer Guide

    ed.com

    Energy Reduction Potential in Lab Equipment

    colorado.com

    Freezers best practice

    Ventilation best practice

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